Ohnmacht: Wenn Geflüchtete aus Kriegsgebieten von Abschiebung bedroht sind

Ein Erfahrungsbericht aus der Praxis und ein Appell für mehr Klarheit im Umgang mit Überforderung

In der Arbeit mit Geflüchteten sind wir täglich mit schwierigen Lebensgeschichten, Unsicherheiten und belastenden Situationen konfrontiert.
Doch es gibt Momente, die selbst erfahrene Teams sprachlos machen – weil sie emotional so tief gehen, dass es kaum Worte dafür gibt.

Einer dieser Momente ist der Erhalt eines Abschiebebescheids.

Besonders dann, wenn es um Menschen geht, die aus Kriegsgebieten geflüchtet sind – aus Syrien, Afghanistan, Somalia, der Ukraine oder anderen Regionen, in denen Gewalt, Angst und Verlust zum Alltag gehörten.
Sie kommen hierher, in der Hoffnung auf Sicherheit.
Sie durchlaufen traumatische Fluchtwege, leben monatelang in Unsicherheit.
Und wenn es ihnen endlich gelingt, ein wenig Boden unter den Füßen zu gewinnen – kommt das nächste Erdbeben: die Nachricht, dass sie Deutschland verlassen müssen.

Die stille Ohnmacht – auf beiden Seiten

Für die betroffenen Geflüchteten ist das eine existenzielle Krise.
Viele berichten, dass es sich anfühlt wie ein zweiter Bruch:
Nach der Flucht aus der Heimat nun der Ausschluss aus der „Zuflucht“.

Aber auch für die Fachkräfte in den Unterkünften ist das keine Situation, die spurlos vorbeigeht.
Denn hinter den Papieren, den Paragraphen und den rechtlichen Verfahren stehen echte Menschen.
Menschen, mit denen man Monate oder Jahre im Alltag verbracht hat.
Deren Geschichten man kennt. Deren Fortschritte man begleitet hat.

In einer kürzlich stattgefundenen Supervision mit unserem Team wurde genau diese Thematik besprochen.
Ein Fall, wie er in vielen Unterkünften vorkommt:
Ein Geflüchteter aus einem Kriegsgebiet erhält den Bescheid, dass er Deutschland verlassen muss.

Er war engagiert, lernte Deutsch, integrierte sich, hatte endlich wieder so etwas wie Hoffnung.
Und nun? Alles scheint wieder weg.

Wir als Team standen dabei – mit einem Gefühl, das viele von uns nur schwer greifen konnten: Ohnmacht.

Ohnmacht als Teamthema: Wenn Begleitung nicht mehr reicht

Ohnmacht ist ein starkes Wort.
Aber es beschreibt treffend das Gefühl, nichts mehr tun zu können.
Nicht mehr helfen zu können.
Zusehen zu müssen, wie ein Mensch in Angst, Verzweiflung und Unsicherheit zurückfällt.

In der Supervision wurde deutlich, wie sehr dieses Gefühl unser Team belastet.
Fragen wie:

  • Haben wir genug getan?

  • Hätten wir früher eingreifen können?

  • Gibt es noch Wege, die wir übersehen haben?

kreisen tagelang durch die Köpfe.

Und oft lautet die ehrliche Antwort: Nein.
Wir haben professionell gehandelt.
Wir haben begleitet, stabilisiert, zugehört.
Aber wir haben keinen Einfluss auf die politischen und rechtlichen Prozesse.

Und genau diese Erkenntnis ist schwer auszuhalten.

Was hilft in der Ohnmacht?

Es gibt keine schnelle Lösung – aber es gibt Wege, mit diesem Gefühl umzugehen.

  1. Supervision & kollegialer Austausch:
    Räume schaffen, in denen Ohnmacht ausgesprochen werden darf, ist essenziell. Nur wenn wir sie teilen, verliert sie ihre lähmende Wirkung.

  2. Anerkennung der eigenen Grenzen:
    Wir sind Fachkräfte, keine Retter. Unsere Aufgabe ist nicht, jedes Schicksal zu wenden – sondern verlässlich und menschlich zu begleiten.

  3. Stärkung der Teamkultur:
    In belastenden Zeiten ist es wichtig, sich im Team zu stützen, sich gegenseitig zu erinnern: Auch Zuhören, Präsenz und Menschlichkeit sind wirkungsvolle Formen der Unterstützung.

  4. Professionelle Haltung entwickeln:
    Eine klare, reflektierte Haltung hilft uns, nicht in Überforderung zu kippen. Dazu gehört auch, sich regelmäßig selbst zu fragen: Was kann ich leisten – und was nicht?

Fazit: Klarheit statt Überforderung

Ohnmacht gehört zu unserem Arbeitsalltag – besonders in einem Feld, das so stark von politischen und gesellschaftlichen Spannungen geprägt ist.
Aber wir müssen ihr nicht hilflos ausgeliefert sein.
Indem wir sie benennen, sie in Teams besprechbar machen und unseren Umgang damit reflektieren, bleiben wir handlungsfähig – und vor allem: menschlich.

Wenn du selbst in einem Team arbeitest, das mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert ist, findest du auf www.kulturklarheit.de vielfältige Impulse, Begleitung und Angebote, die euch in eurer Arbeit stärken.

Und für den Einstieg empfehle ich dir meinen kostenlosen 5-Tipps-Guide, der dir zeigt, wie du mit mehr innerer Klarheit und Stabilität durch interkulturelle Herausforderungen navigierst.
Du bekommst ihn direkt nach der Anmeldung zum Newsletter.

Bleib klar.
Bleib verbunden.
Und sprich über das, was schwer ist.

Deine Madina

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Meine Reise durch Sri Lanka – Einblicke, Erkenntnisse und Inspiration